Neulich war ich mit einer Freundin zum Kaffee verabredet.
Zum vereinbarten Zeitpunkt wartete ich auf sie. Und wartete. Und wartete.
Gerade als ich gehen wollte kam sie hereingestürmt und war total aufgelöst.
Ich war mir sicher, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste und fragte nach.
"Oh Mann, meine Kollegin hat mir heute erzählt, dass bei uns in der Firma 200 Mitarbeiter gekündigt werden.", war ihre Antwort.
"Oh, das ist ja schrecklich!", antwortete ich ihr und fragte interessiert weiter: "Und aus eurer Abteilung sind auch einige Personen dabei?"
"Das weiß ich nicht. Ich hab es ja nur über den "Flurfunk" gehört.", erklärte sie mir.
"Ach so. Das heißt, es ist noch gar nichts dazu wirklich offiziell?", wollte ich wissen.
"Genau.", beantwortete sie meine Frage.
"Also stresst du dich im Grunde gerade wegen etwas, was du nur über fünf Ecken gehört hast und wo du noch gar nicht weißt, ob es tatsächlich eintritt?", hakte ich
nach und erhielt als Antwort ein zerknirschtes Lächeln bevor wir uns lachend in die Arme fielen.
Nachdem sie sich beruhigt und sich ihren Chai Latte mit einem großen Creamcheese Brownie bestellt hatte, erzählte ich ihr von einem meiner Lieblingszitate im Englischen:
Übersetzt heißt es soviel wie "Überquere die Brücke erst, wenn Du tatsächlich dort bist!"
und ich liebe dieses Zitat so sehr, weil es so sehr eine meiner wichtigsten Lebenseinstellungen verdeutlicht:
SEI STETS IM HIER UND JETZT!
Die Brücke über den reißenden Fluß in diesem Zitat versinnbildlicht eine unangenehme Situation, durch die wir hindurch müssen. Häufig neigen wir dazu, sobald wir ein Problem vor unserem geistigen
Auge sehen, es sofort schon „überleben", also den Fluß durchqueren zu wollen. Wir werden hektisch und kommen wild in‘s Denken und Tun. Unser Gehirn schaltet in den Stress-Modus, schüttet
Adrenalin und andere Angst-Hormone aus und lässt uns dann meist laufen wie ein Duracell-Hase.
Was wir in diesen Augenblicken aber oft vergessen:
Meist stehen wir in dem Moment, wo wir beginnen loszurennen, ja noch gar nicht direkt vor der Brücke bzw. vor dem reißenden Fluß.
Wir vergessen den Weg, den wir noch gehen können bis dorthin.
Wir vergessen, dass der Weg auch noch andere Abzweigungen nehmen kann, so dass wir gar nicht zu genau dieser Brücke kommen.
Wir vergessen, dass wir bis wir die Brücke erreichen, noch Fähigkeiten oder Kenntnisse erlangt oder Menschen begegnet sind, die uns über diese Brücke helfen.
Und wir vergessen, dass wir auch nicht zu 100% wissen, ob dieser Fluß oder die Brücke (sollten wir denn tatsächlich dort hinkommen), wirklich so bedrohlich
ist wie wir gerade denken.
Meist sind die Probleme, die wir mit unseren hektischen Aktionen verändern wollen, gar nicht im Hier und Jetzt sondern in der Zukunft. Es ist also im Grunde keine "ECHTE" ANGST, die wir meist
haben, sondern eher eine ANGST VOR DER ANGST.
Was meine ich damit?
"Echte" Angst ist eine Emotion, die uns in AKUTEN GEFAHRENSITUATIONEN schützt und in unserem Körper allerlei Schutzmechanismen (die dann als Stress spübar werden) auslöst. Sie hilft uns in
Sekundenschnelle beiseite zu hüpfen, wenn plötzlich ein Auto um die Ecke gerast kommt, oder uns zu verteidigen, wenn wir tatsächlich von einer anderen Person angegriffen werden.
Diese "echte" Angst ist ein guter Helfer, wenn wir tatsächlich mitten auf der schwankenden Brücke stehen. Sie aktiviert uns. Sie lässt unseren Geist extrem klar werden damit wir mit allen Sinnen
wahrnehmen können und versetzt unsere Muskeln in Spannung für den Fall, dass etwas geschieht. Eine Stressreaktion mitten in einer AKUTEN Situation ist also absolut sinnvoll für uns und unsere
Gesundheit.
Aber was ist denn nun Angst VOR der Angst?
Um dir das besser zu erklären kommt jetzt nochmal meine Freundin ins Spiel. Im Verlauf unseres Kaffeetrinkens habe ich sie dann nochmal gefragt, was genau sie denn eigentlich im Laufe des Tages
so in Stress und Panik versetzt hat:
"Was hat dich vorhin eigentlich so gestresst? Wovor hast du dich da vorhin eigentlich so gesorgt?"
"Naja, dass ich gekündigt werden könnte.", sagte sie verständlicherweise.
"Wenn du diese Info bekommen würdest, würde es dich ziemlich umhauen, stimmts?", fragte ich nochmal nach.
"Ja, das wäre schrecklich. Allein der Gedanke daran versetzt mich in Panik.", war ihre Antwort.
"Und wovor hast du da am meisten Angst?", bohrte ich weiter und erhielt eine so glasklare Antwort wie ich sie nicht erwartet hatte:
"Ich glaub ich habe Angst vor den Gefühlen, die mich dann übermannen. Vor dem Gefühl der Hilflosigkeit. Vor dem Gefühl der Ohnmacht. Vor dem Gefühl der Zukunftsangst. Ich hab Angst mit all diesen
Gefühlen nicht zurecht zu kommen."
Wow!
Das bedeutete also, dass sie den ganzen Tag über mit der gleichen Emotion zu tun hatte mit der sie rechnete, wenn sie die Information bekäme, dass sie tatsächlich gekündigt ist. Und das obwohl es
noch ÜBERHAUPT GAR NICHT klar war, ob das tatsächlich so eintreten würde. Obwohl im Hier und Jetzt alles noch gut und sie selbst in absoluter Sicherheit war.
Sie agierte also im Grunde wie ein Kind, dass schon am Morgen weint und schreit, weil es am Nachmittag zum Zahnarzt muss und damit rechnet, dass das Bohren
Schmerzen verursacht. Und das obwohl der Schmerz ja jetzt noch nicht da ist und vielleicht auch auch gar nicht da sein wird.
Genau diese so genannte Schmerzerwartung ist die Angst vor der Angst.
Sie ist eine Emotion, die nicht aufgrund einer Tatsache sondern nur aufgrund einer Annahme entsteht.
Mir selbst dieses emotionale "Phänomen" bewusst zu machen war und ist für mich definitiv ein Life-Changer!
Wie oft habe ich in meinem Leben schon gedacht, dass etwas Schreckliches geschehen wird nachdem ich etwas bestimmtes gesehen, gehört oder mitbekommen habe. Daraufhin habe ich erstmal reichlich
Dinge getan oder mich aufgeregt, um mich schon einmal auf diesen "Super-GAU" vorzubereiten. Und wofür? Um dann zu erkennen, das was tatsächlich passiert ist?
Ja, genau, du ahnst es schon: Gar nix!
Es kann uns und unserer Gesundheit wirklich sehr helfen, wenn wir uns immer wieder in Stress-Momenten klar und bewusst die Frage stellen: „Ist jetzt schon
der Moment, wo ich direkt vor dem reißenden Fluß stehe und die Brücke überqueren muss?"
Denn diese Frage kann uns zu einer ordentlichen Portion mehr Leichtigkeit, Gelassenheit und Resilienz führen.
Und das hört sich doch nicht allzu schlecht an, oder?
Erzähl doch mal:
Wann hattest du schon mal solch eine Situation, wo du dich vielleicht schon gesorgt hast oder hektisch geworden bist und am Ende war alles ganz entspannt?
Teile diesen Moment doch sehr gern mit mir in den Kommentaren.
Ich sende dir viel Liebe und wünsche dir Mut und Vertrauen für ein leichtes, stressfreies Leben.
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